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Die verborgenen Farben der Vögel

Vögel können UV-Licht sehen. In ihren Augen sind selbst manche schwarze Vögel bunt

Von Lucian Haas

Vögel sehen mehr als Menschen. In ihren Augen haben sie spezielle Zellen, mit denen sie nicht nur die Grundfarben rot, grün und blau, sondern auch die ultravioletten Wellenlängen des Lichtes wahrnehmen können. Der zusätzliche Farbkanal liefert ihnen Informationen über ihre Umwelt, die den Menschen verborgen bleiben. Beispielsweise ist ein schwarzer Papagei wie der Schwarzlori (Chalcopsitta atra) im UV-Spektrum gar nicht vollkommen schwarz, sondern leuchtend gezeichnet. Die angebliche Tarnfarbe ist aus Vogelsicht somit alles andere als unauffällig.

Vogelkundler sind erst seit Ende der 90er Jahre auf das Phänomen der UV-leuchtenden Federn aufmerksam geworden. Für sie stellen die neuen Erkenntnisse eine besondere Herausforderung dar. Möglicherweise müssen viele Ergebnisse aus der Verhaltensforschung bei Vögeln neu interpretiert werden. „Wenn wir die Fähigkeit zum UV-Sehen bei den Vögeln nicht beachten, machen wir etwas falsch“, sagt Georg Pohland, Ornithologe am Zoologischen Forschungsmuseum Alexander König (ZFMK) in Bonn.

Gemeinsam mit seinem Kollegen Peter Mullen führte Pohland in den vergangenen fünf Jahren die bislang größte Studie zur UV-Reflektion von Vogelfedern durch. In minutiöser Arbeit legten die Forscher Tausende präparierter Vogelbälge aus der Sammlung des ZFMK und weiterer Naturhistorischer Museen in London und New York unters Spektrometer, um zu messen, ob und an welchen Körperpartien die Vogelfedern UV-Licht zurückstrahlen. Für 1600 Arten, das sind rund zehn Prozent aller bekannten Vogelarten, liegen mittlerweile Daten vor.

„Es hat sich klar herauskristallisiert, dass die UV-Reflektion der Federn für viele Vogelarten von großer Bedeutung ist“, sagt Pohland. So sei bei Sperlingsvögeln und Papageien eine typische Gefiederzeichnung im UV-Bereich extrem verbreitet. Im Gegensatz dazu zeigten die Federn von Eulenvögel, die ja vor allem nachts aktiv sind, gar keine UV-Rückstrahlung.

Dass der UV-Widerschein der Federn nicht einfach nur ein Zufall der Natur, sondern für die Vögel auch im Alltag von Bedeutung ist, wird für Pohland und Mullen gerade am Beispiel der Papageien offenbar: „Der Ultraviolett-Rezeptor im Auge der Papageien ist genau für jene Wellenlängen des UV-Lichts empfindlich, bei denen die Papageienfedern die höchste Rückstrahlung aufweisen“, sagt Mullen. „Die Papageien nutzen die UV-Signale für ihre artinterne Kommunikation.“

Farben und Zeichnung der Federn sind für die Vögel vor allem während der Balz wichtig. Blaumeisen (Parus caeruleus) beispielsweise, deren Männchen und Weibchen für das menschliche Auge farblich nicht zu unterscheiden sind, geben im UV-Spektrum ihr Geschlecht sofort zu erkennen: Die Männchen reflektieren UV-Strahlung stark, die Weibchen deutlich schwächer. Schon Ende der 90er Jahre beobachtete der schwedische Ökologe Staffan Andersson, dass Blaumeisen-Männchen, deren Federn im UV-Licht besonders strahlend erscheinen, einen höheren Paarungserfolg haben.

Mullen machte bei Feldstudien im australischen Regenwald ähnliche Beobachtungen bei Seidenlaubenvögeln (Ptilonorhynchus violaceus). Die Männchen dieser Art sind geradezu extravagant: Sie protzen sogar mit fremden Federn, um die Weibchen mit den UV-Signalen für sich zu gewinnen. Um ein Weibchen zu betören, bauen sie eine Art Liebeslaube aus Ästen und Strohhalmen, die sie sorgfältig dekorieren. Dafür nutzen sie vor allem blaue Federn von Pennant-Sittichen, aber auch andere blaue Gegenstände.

Die Pennant-Federn reflektieren nicht nur blau, sondern auch ultraviolett - und das macht sie besonders attraktiv. Je mehr ein männlicher Seidenlaubenvogel davon sammelt, desto mehr Weibchen sind ihm zugetan. Dass tatsächlich der UV-Anteil der Federn für die Vögel relevant ist, konnte Mullen mit einem Test nachweisen: Er legte Pennant-Federn aus, wobei er einen Teil davon zuvor mit einem dünnen, unsichtbaren UV-Schutz überzogen hatte. Die Laubenvogelmännchen sammelten die Federn bereitwillig ein und legten sie vor ihre Lauben. Allerdings pickten sie fast nur nach den unbehandelten Federn. Für die Pennant-Federn ohne UV-Widerschein zeigten sie kaum Interesse.

Die UV-Farben der Vogelfedern haben eine Besonderheit: Sie entstehen auf andere Weise als die meisten Farben, die auch für den Menschen sichtbar sind. Im üblichen Spektrum basieren die Farben in der Regel auf Pigmenten. Diese Stoffe wirken wie Filter, die bestimmte Wellenlängen des Sonnenlichtes absorbieren, andere wiederum nicht. So gibt es typische Pigmente für rot, gelb oder grün. Im UV-Spektrum gibt es nur so genannte Strukturfarben. Ihr Widerschein beruht allein auf bestimmten Wuchsmerkmalen innerhalb der Federn. Je nachdem, in welcher Weise die Keratin-Plättchen in den Federhärchen angeordnet sind, reflektieren sie mehr und weniger der UV-Strahlung.

Genau diese Strukturmerkmale liefern den Vögeln wiederum wichtige Signale. Papageien beispielsweise werden in den Tropen häufig von Parasiten geplagt. Der Befall macht Tieren mit einem starken Immunsystem jedoch wenig aus, ihre Federn wachsen normal und zeigen gerade im UV-Licht einen strahlenden Glanz, während schwächere Tiere eher matt erscheinen. „So können die Papageien-Weibchen leicht die fittesten Männchen erkennen“, sagt Mullen.

Die Fähigkeit, UV-Farben zu sehen, hilft den Vögeln auch in anderen Situationen weiter, etwa bei der Nahrungssuche. Schlehen beispielsweise sind mit ihrer blaugrauen Farbe für das menschliche Auge eher unscheinbar. Doch wenn die Beeren reifen, bilden sie eine Wachsschicht aus, die das UV-Licht reflektiert. Für die Vögel erscheinen sie dann als strahlende Punkte in dem ansonsten eher stumpfen Blätterwerk.

Turmfalken nutzen das UV-Spektrum sogar zur Mäusejagd. Feldmäuse haben die Angewohnheit, ihr Revier mit Urin zu markieren. Fatalerweise reflektiert Urin das UV-Licht. Aus der Luft können die Falken das Aufleuchten von frischem Mäuse-Urin leicht erkennen, selbst wenn sich die pinkelnde Maus mit ihrem grau-braunen Fell gegenüber dem Erdboden kaum sichtbar abhebt. So werden die Nager für die Greifvögel zur leichten Beute.

Die Bonner Ornithologen Pohland und Mullen wollen künftig besonders die ökologischen Zusammenhänge rund um das UV-Sehen der Vögel weiter erforschen. Im Sommer werden sie nach Panama fahren, um dort Kolibris zu beobachten, die sich hauptsächlich von Blütennektar ernähren und dabei im Gegenzug die Blüten bestäuben. Die Frage ist: Wie sehen die Vögel die Blüten? Sind hier vielleicht auch UV-Signale mit im Spiel? Und welche Farben sehen die Insekten, die mit den Kolibris um den süßen Blütensaft konkurrieren? „Das UV-Sehen ist quer durch die Zoologie ein bislang eher vernachlässigtes, aber sehr spannendes Thema“, sagt Pohland. In diesem Fall ist es sogar so spannend, dass ein TV-Team des Senders Arte die beiden Forscher nach Panama begleiten wird.

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